Herausforderungen der Geschäftsmodellentwicklung mit Fokus Automobilvertrieb

Im Zuge grundlegender gesellschaftlicher und technologischer Veränderungen nimmt der Ruf nach neuen Geschäftsmodellen im Vertrieb im Allgemeinen und im Automobilvertrieb im Besonderen stetig zu und wird geradezu reflexhaft als passende Antwort genannt – ohne jedoch vielfach die tatsächliche Lösung, worin denn die neuen Geschäftsmodelle bestehen, zu liefern. Häufig begegnet man eher Schlagworten denn veritablen Geschäftsmodellen („wir digitalisieren den Vertrieb“, „Mobilitätsanbieter statt Autoverkauf“ etc.). Zweifellos ist insbesondere die Digitalisierung sowohl Treiber als auch „Enabler“ von neuen Geschäftsmodellen – ein Geschäftsmodell an sich ist Digitalisierung dabei allerdings nicht.

Doch was macht ein Geschäftsmodell aus und wie kommt man zu neuen tragfähigen Geschäfts-modellen? Das Geschäftsmodell beschreibt die Grundstruktur und die Schlüsselfaktoren für das Funktionieren – und damit die Profitabilität – des Geschäfts bzw. eines Geschäftsbereichs. In seinen Grundzügen besteht ein Geschäftsmodell aus drei Hauptkomponenten:

Insbesondere die vermeintliche Einfachheit dieser Fragen zwingt dazu, eine noch so ausgefeilte Geschäftsidee auf das Wesentliche zu hinterfragen und zu konzentrieren. Zur Entwicklung und Beschreibung von Geschäftsmodellen hat sich seit geraumer Zeit das auch auf dieser Logik aufbauende CANVAS-Modell etabliert, dessen „sprechende“ Methodik sehr praktikabel ist. Es unterscheidet zwischen der Unternehmensseite (links) und der Marktseite:

Strukturierte Entwicklung von Geschäftsmodellen

Eine solche Methodik unterstützt nicht nur die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, hierüber können auch die existierenden Geschäftsaktivitäten systematisch hinterfragt und Notwendigkeiten bzw. Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bestimmt werden.

Ein routiniertes Business Development sondiert dergestalt regelmäßig die Möglichkeiten zu Geschäftsmodellerweiterungen, bei denen die Grundstruktur erhalten bleibt und nur in Teilen ergänzt wird (z.B. eigenes Angebot von Garantieverlängerungen).

In vielen gesättigten Branchen stehen Unternehmen wie im Automobilvertrieb vor der Situation, dass sie sich mit ihrem angestammten Kerngeschäft in einem langfristig zurückgehenden Markt bewegen. Als Marktführer oder Vertreter einer nachfragestarken Marke kann man sich dann in begrenztem Maße sicherlich noch in seinem regionalen Umfeld behaupten, während schwächere Anbieter wegbrechen. Für die meisten Anbieter stellt sich jedoch früher oder später die Frage, mit welchen weiteren Geschäftsmodellen einer Umsatzschrumpfung entgegengewirkt bzw. Wachstum erzeugt werden soll. Die Aufnahme weiterer Marken quasi als Duplizierung des Geschäftsmodells ist dabei das Naheliegendste, indem man auf existierendes Know-How und Strukturen für ein ähnliches Produkt zurückgreift, mit dem neue Kundengruppen erschlossen werden können.

Wenn es indes um die Entwicklung gänzlich neuer Geschäftsmodelle geht, dann ist auf die hierbei besonders kritischen Erfolgsfaktoren das Augenmerk zu richten:

Betrachtet man die mittlerweile auf dem harten Boden der Realität angekommenen Verleiher von E-Scootern, so wird deutlich, dass für dieses Geschäftsmodell nahezu keiner der o.a. Erfolgsfaktoren positiv beantwortet werden kann.

Um sich erfolgreich mit innovativen Geschäftsmodelle in neuen Märkten zu etablieren, sollte man gemäß der o.a. CANVAS-Logik über ausgewiesene Stärken in bestimmten Bereichen verfügen, die einen veritablen strukturellen Wettbewerbsvorteil ermöglichen. Als Beispiel kann hier das offensive Angebot von E-Bikes für Firmen zum Mitarbeiter-Leasing betrachtet werden: Bestehende Zugänge zu Firmenkunden oder auch Endkunden werden unmittelbar genutzt, um mit hoher Autohaus-Professionalität in einen margenstarken Markt mit vergleichsweise geringerer Wettbewerbsinten-sität und -professionalität vorzudringen – unter der Bedingung, dass eine hohe Leidenschaft und Know-How für das neue Produkt gewährleistet werden kann. In ähnlicher Weise profitieren einzelne Autohäuser bspw. auch von dem margenträchtigen Geschäft bei Vermietung und Vertrieb von Wohnmobilen.

In die Zukunft gedacht besteht ein größerer Schritt jedoch darin, das bestehende Geschäftsmodell zu digitalisieren – hier reicht die Skala von der Digitalisierung eines einzelnen Elementes bis zur Erschließung neuer Märkte und Kundengruppen mittels eines komplett digitalen Ansatzes. Neben den unbestrittenen Chancen sind auch mögliche Kannibalisierungseffekte im angestammten Geschäft sowie vor allem das notwendige Know-How und der Investitionsbedarf zu berücksichtigen.

Die Digitalisierung ist nicht erst seit gestern wesentlicher Treiber für neue Geschäftsmodelle und bietet einen vereinfachten Zugang zu neuen Märkten und Kunden. Zur ganzen Wahrheit gehört indes auch, dass dies ebenso für potenzielle Wettbewerber gilt, so dass die Wettbewerbsintensität und der Margendruck entsprechend zunehmen. Gewinner sind am Ende vielfach die Anbieter, die die komplette Lieferkette von der Beschaffung, dem Online-Auftritt über die Transportlogistik bis hin zum Inkasso bestmöglich digitalisiert haben (z.B. partslink24). Dies trifft in der Regel jedoch eher auf die spezialisierten ‚Digital Companies‘ als Kooperationspartner des Automobilvertriebes zu als auf diesen selbst.

Kooperationsmodelle ermöglichen in diesem Zusammenhang einen schnellen Einstieg bei begrenztem Investitionsrisiko – sie sind jedoch in aller Regel eben auch für Wettbewerber offen, wodurch sich ihr Vorteil wieder relativieren kann. Insbesondere Plattformmodelle sind v.a. für die Betreiber interessant, während sich die dort vertretenen Anbieter aufgrund der Austauschbarkeit des Angebotes vielfach einen Preiswettbewerb liefern (vgl. Plattformen zur Vermarktung von Leasingfahrzeugen). In erster Linie profitieren jene Anbieter von derart vereinfachten Marktzugängen, deren Stärken im günstigen Einkauf und Abwicklung hoher Volumina liegen.  

Eine besondere Kooperationsform ist dem markengebundenen Automobilvertrieb zu eigen. Hier unterstützen die Hersteller ihre selbständigen Vertriebspartner nicht nur mit Impulsen, sondern auch mit fertigen Konzepten zur professionellen Geschäftsmodellerweiterung. Eine Tendenz ist dabei, dass der Vertriebspartner immer weniger eine Leistung oder ein Produkt an den Endkunden verkauft, sondern dieser vielmehr einen Nutzungsvertrag abgeschlossen hat (u.a. „Abo-Modelle“), der sie / ihn über eine definierte Laufzeit an Marke und Autohaus bindet. Eine andere Tendenz ist indes ein zukünftig wachsender Direktvertriebsanteil, bei dem der stationäre Handel und Service statt der tragenden Rolle nur noch für das Fulfillment bezahlt wird (z.B. wird der neue Volkswagen ID3 direkt beim Hersteller erworben und der Händler agiert hier im Rahmen eines Agenturmodells).

Die Geschäftsmodellentwicklung kann zweifellos von den passenden Kooperationen profitieren oder sich für wichtige Impulse an Best Practices orientieren (daneben können auch Bad Practices hilfreich sein). Für den Erfolg ist jedoch ein maßgefertigtes, höchst individuelles Ergebnis geradezu zwingend. Die wesentlichen Zutaten hierfür liegen auf der Hand:

Unbestreitbar ist die Arbeit am Geschäftsmodell für den zukünftigen Unternehmenserfolg existenziell und per se eine zentrale Managementaufgabe, die einer professionellen Herangehensweise bedarf. Eine ungesteuerte, vom Zufall getragene Geschäftsentwicklung sollte man vorzugsweise dem Wettbewerb überlassen.